Dresden als touristische “Ramsch-Destination”?

Saturday, December 01st, 2007 9:35pm

Ungewöhnlich vernünftige Töne dringen derzeit aus dem Dresdner Rathaus an die Öffentlichkeit – formuliert durch Wirtschaftsbürger Dirk Hilbert (FDP), der sich gegen den Bau immer neuer Hotels in der Dresdner Innenstadt wehrt und sich stattdessen für die nähere Prüfung einer Neumarkt-Kulturstiftung einsetzt, die von einem Wiener Finanzmanager und Kunstmäzen ins Gespräch gebracht wurde.

Blicken wir zurück: Peter Pühringer von der POK Pühringer Privatstiftung, die bereits etliche bedeutende Kulturprojekte in Österreich gefördert hat, hatte angeboten, einen achtstelligen (!) Betrag in eine noch zu gründende Kulturstiftung Dresdner Neumarkt zu geben, um eine kulturell anspruchsvolle Bebauung der Quartiere VI, VII und VIII zu gewährleisten. Die Stadt solle ihrerseits die vorhandenen Grundstücke einbringen. Pühringer hatte den Dresdner Oberbürgermeister Lutz Vogel nach Wien zu einem Galadinner eingeladen, um sein Konzept für eine qualitativ hochwertige Fortführung des Neumarkt-Aufbaus persönlich zu erläutern. Doch Vogel hatte – wenig feinfühlig und offenbar unerfahren im Umgang mit Mäzenen – die Einladung ausgeschlagen, um seinerseits Pühringer nach Dresden zu bitten; er solle seine Stiftungsidee dort in “echter Arbeitsatmosphäre” vorstellen: eine geradezu unverzeihliche Taktlosigkeit, wenn man bedenkt, dass die städtebauliche Entwicklung der Landeshauptstadt mit mindestens 10 Millionen Euro gefördert werden sollte.

Während Vogel den Wiener Mäzen verprellte, machte gleichzeitig der Bauausschuss den Weg für ein weiteres Luxushotel an der Schloßstraße frei, und wieder einmal war es die Baywobau, die in Kooperation mit der TLG zum Zug kam – ganz sicher kein Glücksfall für Dresden, wenn man bedenkt, dass die Baywobau mit ihrem kommerzialisierten “Beton-Barock” innerhalb der Quartiere 3 und 4 das Projekt eines am historischen Vorbild orientierten Neumarkts bereits reichlich diskreditiert hat.

Es ist offensichtlich, dass am Neumarkt wieder einmal der Wunsch nach langfristigen, qualitativ hochwertigen Investitionen unversöhnlich mit den Verlockungen der schnellen Renditen zusammenprallt. Einmal mehr wird die komplexe, aber dafür visionäre und anspruchsvollere Lösung zugunsten eines kurzfristig gedachten, visionasarmen, aber dafür einfacher und schneller umzusetzenden Konzeptes verworfen. In diesem Falle heißt das: Statt eines lebendigen, differenziert gestalteten Neumarktes macht sich eine Hotel- und Shopping-Center-Monokultur am Neumarkt breit, die von den hübschen Fassaden der Gebäude kaum verborgen werden kann.

Dabei ist das Dilemma offensichtlich: Nachdem Ende 2005 u.a. das Kongresshotel Maritim, das Hotel de Saxe und das QF Hotel an der Frauenkirche eröffnet wurden, befinden sich weitere Hotels wie z.B. das Intercity Hotel am Wiener Platz, das Hotel Haus am Zwinger, das Holiday Inn am Dr.-Külz-Ring oder das Hotel am Bahnhof Mitte entweder im Bau oder in Planung. Diese Entwicklung läuft, wenn ihr nicht rasch Einhalt geboten wird, auf eine Opferung des Dresdner Stadtmittelpunktes zugunsten einer herzlosen, profitorientierten touristischen Verwertung hinaus. Man kann daher nur aufatmen, dass Wirtschaftsbürgermeister Hilbert lautstark protestiert und offen fordert: „Dresden muss den Neubau weiterer Hotels verhindern.” Würde jetzt nicht die Notbremse gezogen, drohe Dresden zu einer touristischen “Ramsch-Destination” zu werden, so die Befürchtung Hilbert.

Schützenhilfe erhält der Wirtschaftsbürgermeister von Heinz Diedrichsen, dem Vorsitzenden des Tourismusvereins, der vor einer “Schlafburg” anstelle einer Innenstadt warnt – Touristen wollten das Flair der Stadt genießen, dazu gehöre, dass sie mit Dresdnern und nicht nur mit Ihresgleichen zusammenträfen. Hilbert bringt es auf den Punkt, wenn er warnt: “Ich will keine tote Innenstadt!” Ein Neumarkt, auf dem sich ein Hotel an das andere reihe, sei auch für Besucher der Stadt kaum attraktiv. Es sei notwendig, auch für alternative Konzepte zur Belebung des Platzes offen zu sein. “Deshalb bin ich auch ein Verfechter der Stiftungsidee für den Neumarkt”, so der Wirtschaftsbürgermeister. Er plädiere dafür, dass man sich intensiv mit dem Projekt einer Neumarkt-Stiftung auseinandersetze. Und das Ergebnis dieser Prüfung solle man abwarten, bevor andere Entscheidungen getroffen werden.

Ob die Pühringer-Stiftung allerdings bereit ist, weiter mit den Dresdner Stadtoberen zu diskutieren, ist fraglich. In einer Antwort auf Vogels Absage heißt es u.a.: “Ihre Absage und Aussage, das gewünschte Gespräch in echter Arbeitsatmosphäre in Dresden zu führen, hat uns sehr verwundert und zeigt uns, dass eigentlich wenig Interesse an unseren komplizierten, komplexen, aber zukunftsweisenden Strategien besteht. Auch die bisher fehlende effiziente Analyse – aus deutscher Sicht – welche Vor- und Nachteile diese Lösung gegenüber dem geplanten Verkauf der Grundstücke hat, hat gezeigt, dass politisch sicherlich der einfachere Weg begangen wird und unser Engagement letztlich nur Zeitverschwendung bedeutet.”

Immerhin gibt es Zeichen von Bemühungen, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Der Ältestenrat hat Vogel für seine mit dem Stadtrat nicht abgestimmte Absage kritisiert und aufgefordert, die Gespräche mit Pühringer weiter zu führen. Und SPD-Oberbürgermeisterkandidat Peter Lames versuchte auf seine Weise, den durch Vogel angerichteten Schaden zu beheben; er versicherte Pühringer in einem Schreiben: “Ihr Engagement für Dresden wird hier als große Ehre und Auszeichnung für die Stadt empfunden.”

“BILD” Dresden heute mit Neumarkt-DVD

Friday, November 30th, 2007 8:19am

Ich bin ausdrücklich kein Freund der “Bild”, aber wenn’s für 2,99 EUR zur Zeitung eine DVD über den Dresdner Neumarkt hinzugibt, lass ich auch mal fünf grade sein… Die DVD trägt den Titel “Dresden Neumarkt – Menschen rund um die Frauenkirche” und ist ausschließlich am heutigen Freitag als Teil einer Sonderausgabe von “Bild” Dresden zu haben.

Die Stadt baut, die Unesco droht, Burger will’s richten

Thursday, November 15th, 2007 11:46am

In einer Pressemitteilung der Landeshauptstadt wird der gestern verkündete Richterspruch zum Bau der Waldschlößchenbrücke wie folgt kommentiert:

“[…] Dies bedeutet, dass die beauftragten Baufirmen nun mit der Einrichtung der Baustelle auf beiden Elbseiten innerhalb der nächsten 14 Tage beginnen werden. Erste Bauarbeiten werden dann je nach Witterungslage auf der Neustädter Seite an der Stauffenbergallee und auf der Altstädter Seite an der Fetscherstraße beginnen.

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Die im Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts geforderte Untersuchung der Brückenbeleuchtung wird die Landeshauptstadt umgehend beauftragen. Die ebenfalls geforderte Einhaltung einer höchstzulässigen Geschwindigkeit um 30 km/h in den Nachtstunden kann mit der Einrichtung von zwei stationären Geschwindigkeitsmessstellen kontrolliert werden.

Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in Bautzen hat die Stadt Dresden geprüft, welche Veränderungen an der Brücke im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vorgenommen werden können, um den Welterbestatus für das Elbtal zu erhalten. ‘Diese Spielräume sind sehr gering’, sagt Bürgermeister Herbert Feßenmayr. ‘Wir haben aber einige Vorschläge, z.B. für die Treppen und Pfeiler des Bauwerks, die wir jetzt mit dem Freistaat erörtern werden. Ob diese Veränderungen der UNESCO-Kommission ausreichen, ist natürlich ungewiss.’”

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Die Welterbe-Wächterin UNESCO hat unterdessen angekündigt, das Dresdener Elbtal nach der Entscheidung zugunsten der Waldschlößchenbrücke “wahrscheinlich” im kommenden Juli von der Liste des Welterbes streichen. Ob dies mehr ist als bloß verbales Säbelgerassel, bleibt allerdings abzuwarten. Denn im Juli nächsten Jahres dürfte von einer Brücke noch nicht sehr viel zu sehen sein: Die nun angekündigten Bauarbeiten zielen erst einmal auf die Herstellung der Zufahrtsbauwerke, das endügltige Aussehen der Brücke steht nach wie vor nicht fest.

Und genau hier hofft der Baudirektor der Frauenkirche, Eberhard Burger, das Blatt doch noch wenden zu können: Nach Auskunft der Sächsischen Zeitung arbeitet der visionäre Baumeister im Auftrag des Ministerpräsidenten mit einer kleinen Expertenrunde daran, das Brückenbauwerk dem Standort gemäß zu verändern. „Ich sehe die Chance, die Brücke am Waldschlößchen innerhalb des Planfeststellungsverfahrens so zu gestalten, dass sie den Dresdnern gefällt und die Unesco damit leben kann“, so Burger. „Vision heißt, Ermessensspielräume ausnutzen.“ So viel Optimismus tut gut – vor allem dann, wenn man die wenig hoffnungsvollen Worte des Baubürgermeisters (s.o.) im Vergleich dazu hört. Wenn es Burger wirklich gelingen sollte, innerhalb des Planfeststellungsverfahrens das zu erreichen, was Architektenworkshops und Kompromissbrückenvorschläge bisher nicht zu leisten vermochten, wäre das in der Tat eine Sensation.

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Waldschlößchenbrücke darf gebaut werden

Wednesday, November 14th, 2007 12:35pm

Pressemitteilung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom heutigen Mittwoch:

Mit dem Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden darf begonnen werden. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit dem heute bekannt gegebenen Beschluss vom 12.11.2007 (5 BS 336/07) die Anträge dreier Naturschutzverbände auf vorläufigen Baustopp abgelehnt. Den anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 9.8.2007 (3 K 712/07) hat es geändert. Dabei hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht zugleich Auflagen zum Schutz der Fledermausart Kleine Hufeisennase verfügt.In dem Beschwerdeverfahren stritten die Beteiligten im Wesentlichen über eine mögliche Gefährdung der streng geschützten Fledermausart Kleine Hufeisennase durch die beabsichtigte Errichtung und Nutzung der Waldschlößchenbrücke. Insbesondere wurde eine Gefährdung aufgrund des sog. „Falleneffekts“ geltend gemacht. Die Fledermäuse würden durch die bei Dunkelheit um die Beleuchtung der Brücke angelockten Insekten zu deren Jagd animiert. Für diesen Fall bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich die Insekten fallen ließen, um den Fledermäusen zu entkommen. Folge hiervon sei, dass die Kleine Hufeisennase dann mit vorbeifahrenden Fahrzeugen kollidiere.

Nach Auffassung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts geht von dem Brückenbauwerk selbst keine Gefahr für die Kleine Hufeisennase aus. Auch eine ernsthafte Beeinträchtigung dieser Fledermausart aufgrund von Lärm oder verkehrsbedingten Schwingungen der Waldschlößchenbrücke sei nicht möglich. Ob eine Gefährdung der Kleinen Hufeisennase im Fall der Jagd nach Insekten, welche durch die Brückenbeleuchtung angezogen werden, vorliege, könne derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Dieser etwaigen Gefährdung könne jedoch aller Voraussicht nach durch eine Nachbesserung des den Bau der Brücke erlaubenden Planfeststellungsbeschlusses begegnet werden. Bis dahin könne eine etwaige Gefährdung durch die vom Gericht verfügten Auflagen vermieden werden. Durch diese Auflagen wird der Freistaat Sachsen verpflichtet, durch verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der Waldschlösschenbrücke das Risiko einer Kollision der Kleinen Hufeisennase mit Kraftfahrzeugen aufgrund des sog. „Falleneffekts“ zu minimieren. Hierbei handelt es sich um die Verpflichtung zu einer Beschränkung der höchstzulässigen Geschwindigkeit auf 30 km/h auf der Waldschlösschenbrücke während der „Nachtzeiten“ von April bis Oktober des Jahres. Damit wird nach Auffassung des Senats sichergestellt, dass selbst bei einer Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit um 30 km/h kein Kollisionsrisiko der Kleinen Hufeisennase mit Fahrzeugen bestehe. Das dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Gutachten gehe zu Recht davon aus, dass eine zunehmende Kollisionsgefahr der Kleinen Hufeisennase nur gegenüber schneller als 60 km/h fahrenden Fahrzeugen bestehe. Durch die zugleich verfügte Verpflichtung zur Installierung von 2 Geschwindigkeitsmessstellen auf der Waldschlösschenbrücke werde gewährleistet, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung im Wesentlichen eingehalten werde. Die zeitliche Begrenzung des Tempolimits berücksichtige, dass die Kleine Hufeisennase erst bei völliger Dunkelheit ausschwärme und jage.

Endgültig könne ein möglicher Fehler des Planfeststellungsbeschlusses etwa durch die Beauflagung von Bepflanzungen, die Leitstrukturen vorgäben und die Kleine Hufeisennase veranlassten, die Brücke unterhalb der Fahrbahn zu queren und damit das Kollisionsrisiko minderten, beseitigt werden. Möglich sei es auch, die Wirkung der in Betracht kommenden Brückenbeleuchtung näher zu untersuchen und die am besten geeigneten Beleuchtungsmittel festzulegen. Denkbar sei auch die Anordnung von Beobachtungsmaßnahmen (sog. Monitoring). Gerade bei wissenschaftlicher Unsicherheit über die Wirksamkeit von Schutz- und Kompensationsmaßnahmen könne es sich anbieten, durch ein Monitoring weitere Erkenntnisse über Beeinträchtigungen zu gewinnen und dementsprechend die Durchführung des Vorhabens zu steuern.

Der Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar.