Für die einen ist er ein abweisender, grober „Klotz“ — verachtenswertes Sinnbild des gescheiterten Versuchs, Dresden zu einer „sozialistischen Stadt“ umzubauen. Für die anderen ist er ein wichtiges, erhaltenswürdiges Baudenkmal, das zur Zeit seiner Erbauung architektonische Maßstäbe setzte und zudem über viele Jahrzehnte das Musik- und Kulturlebens Dresdens prägte.
Der Kulturpalast, zu DDR-Zeiten auch als „Haus der sozialistischen Kultur“ bekannt, wurde 1962 bis 1969 nach Plänen von Leopold Wiel und Wolfgang Hänsch auf der Nordseite des Altmarktes errichtet. Wo bis 1945 ein dichtes Gewirr von Gassen die Dresdner Altstadt geprägt hatte, entstand ein im internationalen Stil gehaltenes, modernes Gebäude, das den neuen kulturellen Mittelpunkt der Stadt markieren sollte.
Dem Bau waren jahrelange Planungen mit unterschiedlichsten Konzepten vorausgegangen; zeitweise war die Errichtung eines Kulturhochhauses nach Vorbildern entsprechender Gebäude in Moskau und Warschau geplant — Pläne, die mit Blick auf die Sensibilität der historischen Stadtsilhouette Dresdens glücklicherweise nicht verwirklicht wurden.
Trotz seiner maßvollen Höhe handelt es sich bei dem Kulturpalast um einen klassischen Solitär. Er ordnet sich nicht in den Kontext der bestehenden (oder ehemaligen) Bebauung ein, sondern dominiert diese: Der historische Stadtgrundriss wurde bei der Planung — dem Geist der Zeit entsprechend — bewusst verneint.
Zu den Besonderheiten des Baus gehören die langgestreckte Glasfassade zum Altmarkt, die markante, sechseckige Kupferbedachung des Großen Saals sowie das zur Schloßstraße gelegene monumentale Wandbild „Der Weg der Roten Fahne“.
Mit mehr als 2.400 — bei seiner Eröffnung sogar 2.740 — Sitzplätzen besitzt der Kulturpalast den größten Mehrzwecksaal in den neuen Bundesländern.
Ein variables Raumkonzept ermöglicht die flexible Nutzung als Plenar-, Konzert- und Ballsaal. So kommt es, dass der Kulturpalast nicht nur Stammhaus der Dresdner Philharmonie ist, sondern auch für Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen sowie Tagungen und Kongresse genutzt wird.
Mit den Bemühungen ab 1990, die lückenhafte Bebauung des Dresdner Stadtzentrums schrittweise zu verdichten, stellte sich auch die Frage nach dem weiteren Umgang mit dem Kulturpalast.
Geleitet von der Vision, den überdimensionierten Altmarkt zu verkleinern und die Schloßstraße auf ihre historische Breite zurück zu führen, legte die Sachsenbau Chemnitz GmbH 2003 ein Konzept vor, dass eine komplette Umbauung des Kulturpalasts vorsah. Der markante Bau sollte in einem neuen, von Kritikern als überdimensioniert verworfenen Komplex aufgehen, der neben dem Konzertsaal auch Büroeinheiten, ein Hotel und eine Einkaufspassage aufnehmen würde.
Der Plan sah ferner vor, die historischen Fassaden zur Schloßstraße und zur Galeriestraße hin zu rekonstruieren; die Schauseite zum Altmarkt sollte historisierend gestaltet und mit Arkaden versehen werden, um einen Bezug zur Altmarkt-Bebauung aus den fünfziger Jahren herzustellen.
Die Pläne zur Umbauung des Kulturpalasts lösten erhebliche Proteste aus und führten zur Gründung der Initiative „Kulturpalast erhalten“, die sich fortan — mit beträchtlichem Erfolg — für den Erhalt des Gebäudes einsetzte.
Der Architekt Dieter Schölzel formulierte dazu bei einem Vortrag in der Sächsischen Akademie der Künste:
„Es ist unannehmbar, dass die künftige Dresdner Philharmonie hinter Hotel- und Kaufhausfassaden verschwinden und als bedeutendes Kulturinstitut keinerlei städtebauliche Repräsentanz mehr besitzen soll. Zugunsten der Interessen des Privatinvestors, möglichst viele Handelsflächen zu bekommen, wird das Gebäude des Kulturpalastes beschnitten und verbaut, so dass es als Organismus nicht mehr funktioniert.“
Nach langem Ringen entschied der Stadtrat im November 2004, das Projekt der Sachsenbau abzulehnen und eine kleinere Variante zu wählen, die Erhalt und Sanierung des bestehenden Gebäudes vorsah. Nach zwischenzeitlicher, fünfmonatiger Schließung des Gebäudes aufgrund von gravierenden Mängeln im Bereich des Brandschutzes wurde der Kulturpalast 2008 schließlich auch unter Denkmalschutz gestellt.
Mit dem Ziel, den Kulturpalast in seiner äußeren Gestalt zu belassen, im Inneren jedoch einen neuen Konzertsaal als Spielstätte für die Dresdner Philharmonie zu bauen, lobte die Landeshauptstadt Dresden im November 2008 einen Wettbewerb aus:
„Die Landeshauptstadt Dresden beabsichtigt den bestehenden Kulturpalast im Kontext seiner prägnanten Umgebung instandzusetzen, zu modernisieren und im Sinne der Erhaltung als Gemeinbedarfseinrichtung zukunftsorientiert und in einer hohen Qualität umzubauen. Als baulich-kultureller Kristallisationspunkt im Herzen der Dresdner Innenstadt wird dieses Hochbauprojekt wichtige Akzente für die Funktionsfähigkeit einer attraktiven, lebendigen und Identität stiftenden Stadtmitte setzen. […]
Anlass und Ziel sind zum einen die Instandsetzung und Modernisierung altersbedingter Defizite der Bausubstanz, insbesondere des vorbeugenden baulichen und technischen Brandschutzes. Zum anderen erhalten mit der Dresdner Philharmonie und den Städtischen Bibliotheken zwei bedeutende kulturelle Institutionen, die maßgeblich zum Selbstverständnis Dresdens und zur kulturellen Bildung in der Stadt beitragen, eine ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Plattform. Herzstück des Projektes ist ein als „innerer Neubau“ zu konzipierender Konzertsaal der Philharmonie Dresden. Der besten raumakustischen Auslegung der Saalgeometrie im Vergleich zu den führenden internationalen Konzertsälen kommt die höchste Priorität zu.“
Dieser Wettbewerb wurde im Juni 2009 zugunsten des Hamburger Architekturbüros Gerkan, Marg & Partner entschieden; die Realisierung des siegreichen Entwurfs soll ab 2012 erfolgen.
Ob die Umbaupläne tatsächlich umgesetzt werden, ist jedoch weiter ungewiss, da der Schöpfer des Gebäudes, Wolfgang Hänsch, im November 2010 Klage gegen das Projekt eingereicht hat und dabei auf die Verletzung seines Urheberrechts verweist. In der Begründung der Klage heißt es u.a.:
„Der geplante Umbau würde die geistige Substanz des Werkes beseitigen, da das Gebäude nicht mehr als einheitliches Bauwerk ‚aus einem Guss‘ erhalten bliebe. Das übrige Gebäude wäre zwar nach außen noch als gestalterische Leistung und als Wahrzeichen der Nachkriegsmoderne erkennbar, verlöre jedoch ohne den Mehrzwecksaal vollständig seinen gestalterischen Zusammenhang.“
Die Genehmigung für den Betrieb des Kulturpalasts läuft 2011 aus.